Die »Stellung des Menschen im Kosmos« so der Titel von Schelers für die philosophische Anthropologie grundlegender Schrift besteht vor allem darin, dass er, im Unterschied zu den Tieren, über eine Wissens- und Verhaltensform verfügt, die prinzipiell die Triebhaftigkeit des tierischen Lebens überschreitet: Der Mensch als »geistiges Wesen« ist »weltoffen«. Diese für die Philosophie immer schon leitende Intuition konnte nun auf dem Hintergrund der biologischen Forschungen Jakob von Uexkülls zum Begriff der tierischen »Umwelt« präzise bestimmt werden. Uexküll, der Begründer der Umweltforschung, hatte experimentell nachgewiesen, dass das Tier mit seiner speziellen Organausstattung einer jeweils artspezifischen Umwelt zugehört, durch die seine Lebensweise festgelegt ist. Gemessen an diesem biologischen Begriff der Umwelt ist der Mensch wesenhaft »umweltfrei«, er distanziert die »Umwelt« zur »Welt«. Scheler zufolge ist das menschliche Vermögen, das den Bann der Instinkte und spezifischen Umwelten durchbricht, und die Sonderstellung des Menschen begründet, der »Geist«. Diesen stellte er insbesondere der technisch-instrumentellen Intelligenz gegenüber, über die ansatzweise auch schon Affen verfügen (was der Psychologe Wolfgang Köhler in berühmten Experimenten nachgewiesen hatte). Mithilfe des Geistes könne der Mensch sein dingliches und personelles Gegenüber als solches erfassen, unabhängig von seinen Bedürfnissen; er könne in der einzelnen Wahrnehmung zugleich ein allgemeines Merkmal der Welt erschauen. Zum Geist gehörten Sachlichkeit, Selbstbewusstsein und moralische Verantwortlichkeit. Scheler setzte den Geist wegen seiner Fähigkeit zur Triebverneinung in einen radikalen Gegensatz zum »Leben«. Zwar empfange der Geist alle Kraft nur vom Lebensdrang, aber er allein könne die natürlichen Impulse lenken.
Aus: © 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG
2009
acryl, leinwand
150 x 155
cm