Aus der Eröffnungsrede von Ricarda Geib M.A. zur Jahresausstellung der Waiblinger Künstlergruppe:
Er sitzt am Computer oder in einer Kneipe und beobachtet, wie die Dinge anfangen, in Bewegung zu geraten. Er agiert nicht, sondern beobachtet das Bild bzw. den Betrieb. Aus solchen Beobachtungen, aus Fotografien und aus direkter Erprobung seiner Erlebnisse auf der Leinwand destilliert Welker die Essenz seiner Erfahrungen. Als Vorlagen wählt er meist bekannte Bilddokumente, darunter auch Bilder, die fest in unserem kollektiven Bewusstsein verankert sind – Amy Winehouse, Trakl (im Morhiumrausch?), B.J. Diese werden am Computer verfremdet und dann auf der Leinwand frei interpretiert.
Die subtile Ausdrucksqualität seiner Momentaufnahmen reicht von fast altmeisterlicher Feinmalerei bis hin zur expressiven Farbgeste. Manchmal findet er sie in einem Foto, das dann ein neues Bild aus ihm herauslockt; manchmal findet er sie während des Malens und erfasst sie dann ohne jede Vorstudie direkt. Hinter diesen Bildern, die oft von fotografischen Vorlagen ausgehen, steckt ein gutes Stück Wirklichkeit, aber Welker exotisiert diese Wirklichkeit. Unter seinem Blick werden Nuancen (vor allem im Kolorit) bedeutungsvoll, mit leichtem, lasierend bewegten Pinselstrich oder auch schweren, intensiven Farbverdichtungen bekommen die portraitierten Gestalten eine Aura wilder Tiere, als gehörten sie zu fremden Kulturen. Bei aller Leidenschaftlichkeit der Pinselführung und des Kolorits verweigert sich Jan F. Welker jeder Romantisierung.
Denn seine Kunst ist körperhafte Kunst - motivisch wie im Malduktus machen die großen Formate, die den Betrachter mit ihrer Farb- und Formsinnlichkeit förmlich anspringen, Sinn. Mit einer Intensität, die dem Rezipienten keine Ausweichmöglichkeit lässt, kehrt in ihnen die unmittelbar erfahrbare Lebenswirklichkeit, die politische und soziale Realität in die Kunst zurück: Lebensbezug statt Kunstzitat? Welker ringt an den Schnittstellen von Wirklichkeit, Fiktion und Kunst und schafft Bilder, in denen sich das Auge verirrt.
Ricarda Geib M.A. Stuttgart, im Dezember 2016
Quellfoto Ilse Rupppert